Von Jägern, Bärten und Männlichkeitsbeschwörungsritualen

Außerdem wollten wir euch den Gastbeitrag von Heide Witzka über den ,Frankenberger Barber Club’ in voller Länge und mit Quellen nicht vorenthalten.

Den Text in voller Länge findet ihr hier: Von Jägern und Bärten

Eingangstür des ,Frankenberger Barber Clubs’

Bei Bart- und Kopfschur, Bier, Playboy und „Männergesprächen“ (Lokalzeit Aachen) sollen die Kunden „einfach mal die Seele baumeln“ lassen können – und dafür ist die Abwesenheit von Frauen zwingend erforderlich, so Inhaber und Chef-Coiffeur Pascal Jahn mit süffisantem Grinsen: „Sobald hier ne Frau ins Spiel kommt, ändern sich die Männer. Die Charaktere verändern sich, die sind dann wie Jäger, das ist irgendwie ganz komisch.“ Das Ganze sei aber mehr als „Alkohol und Mettbrötchen, das Haareschneiden“, ebenso wichtig sei die mittlerweile entstandene Gemeinschaft. Ein Kunde schwärmt: „Ich bin Diplomingenieur, wir ham nen Professor dabei, Arbeitslose – alles ist egal.“ (Mann TV). Die klassenlose Gesellschaft existiert also längst, im Bart-Refugium, das alle sozialen Unterschiede über die Zuordnung zum männlichen Geschlecht einebnet und die zur Schur versammelten Männer zum Rudel eint. Ein Kunde stellt selig lächelnd fest, im Barber Club laufe es endlich mal „nach der alten Tradition“ ab (Lokalzeit Aachen), ohne zu erklären, was er damit meint: Die ‚traditionellen‘ Barbierkünste des Meisters? Die Aufmachung von Laden und Leuten, die wirkt, als stamme sie aus einer Rockabilly-Ausgabe des Manufactum-Katalogs? Craftbeer, teure Bluejeans, gekrempelte Hemdsärmel, Retro-Verpackungen, wuchtiges Holz, glänzendes Metall – alles atmet Kernig- und Kerligkeit. Oder das Türschild, das Hunden den Zutritt gestattet („Ich darf rein!“) und ihn Fraueni in direkter Gegenüberstellung untersagt („Ich nicht!“)?

Jahn, früher in ‚Damensalons‘ tätig, schildert die prekäre Lage des kosmetisch vernachlässigten, an den Rand des Friseursalons gedrängten Mannes: „Aber der Mann war irgendwie immer im Hintergrund. Der wurde halt immer mal dazwischengeschoben wenn die Einwirkzeit gewesen ist von den Farben oder die Dauerwelle gedreht wurde oder Strähnchen gemacht – der Mann wurde immer nur so ne halbe Stunde abgefertigt.“ (Mann TV) Wer kennt sie nicht, die Scharen mit der Unterlippe zitternder Männer, die sich verstohlen und unfrisiert zwischen Frisierstuhl und Waschbecken herumdrücken? Schwerer wiegt jedoch Jahns Perspektive auf die Zumutungen durch seine ehemals weibliche Kundschaft: „Dieses ganze Gequake…ja…dieser…ich weiß nicht, wie ich’s ausdrücken soll, ohne vulgär zu werden, aber dieser Bullshit, den ich mir manchmal reinziehen musste, ja den hab ich hier nicht. Für mich ist das hier mein Man cave, meine Entspannung. Kein Stress.“ (Lokalzeit Aachen) Frauen kommen in dieser Man cave nur als aufdringliches Balzverhalten à la ‚Jäger‘ triggernde Störfaktoren vor – dass das erwähnte Mackerverhalten für diejenigen, für die es ungebeten inszeniert wird wahrscheinlich wesentlich unangenehmer ist, als für diejenigen, die es an den Tag legen – dafür ist im Weltbild Jahns und seiner Gefährten, in dem Männer die eigentlich Ausgegrenzten sind, kein Platz. Und so werden Geschlechterverhältnisse und deren vielfältige Effekte schlicht in die Zuständigkeit von Frauen verschoben. Es wird beinahe drollig, wenn Jahn mitleidheischend erklärt: „Der Mann hat halt den ganzen Tag was zu tun, und zuhause irgendwie Familie äh Verantwortung, aber er hat keinen Rückzugsort. […] Er hat vielleicht zuhause irgendwie vielleicht…nen Keller.“ (Mann TV). Einen Keller. Zuhause. Aber nur vielleicht! Und wer ist schuld? ‚Die‘ Frau, die den ganzen Tag unbelastet von Familie und Verantwortung in ihrem natürlichen Habitat, dem Friseursalon, abhängt.

Diskrimi…was?

Doch mit Diskriminierung oder ‚Frauenfeindlichkeit‘ habe der zum Ladenkonzept erhobene kategorische Ausschluss von Frauen überhaupt nichts zu tun, betonen Jahn und seine Bart-Buddies, sekundiert von Reportagen der Lokalpresse. Als Beleg hierfür dient die reflexhafte Rechtfertigung, dass „die meisten [der Kunden] mit Frauen verheiratet“ (Lokalzeit Aachen) seien. Angesichts der Tatsache, dass die Ehe nach wie vor für viele Frauen institutionell legitimierte Formen von Ausbeutung und Unterdrückung mit sich bringt, taugt dieser Verweis zur Reinwaschung vom Vorwurf der Frauenfeindlichkeit zwar herzlich wenig, aber einer der Bärtlinge bietet eine noch entlarvendere Erklärung an: „Es gibt keine frauenfeindliche Einstellung. Im Gegenteil! […] Auch als kürzlich eine Frau mit ihrem Roller stürzte und sich das Gesicht aufschlug, ließ der Barbier höchstpersönlich das Rasiermesser liegen und kümmerte sich mit um die schnelle Versorgung.“ (derfriedri.ch) Na dann!

Wenn ‚nicht frauenfeindlich‘ zu sein sich im Verständnis Jahns und seiner Kumpane tatsächlich darin erschöpft, eine verletzte Frau nicht blutend auf der Straße liegen zu lassen, dann stellt sich die Frage, wo genau eigentlich Frauenfeindlichkeit für sie anfängt: Beim Ausüben physischer Gewalt? Was aber, wenn „der Mann“ nach einem Tag voller Verantwortung und frustrierender Friseurerlebnisse nach Hause kommt und „die Frau“ ihn erstmal mit ihrem „Gequake“, ja: „Bullshit“ in seinem Keller stört? Kann einem da nicht schon mal die Hand ‘ausrutschen’, ohne dass man sich direkt frauenfeindlich schimpfen lassen muss? Der eifrige Hinweis auf Jahns „höchstpersönlich[e]“ Beteiligung an der medizinischen Erstversorgung einer Frau beißt sich mit der weitgehend allgemeingültigen Auffassung, erste Hilfe solle allen verletzten Menschen zukommen und belegt so genau diejenige Frauenfeindlichkeit, die damit eigentlich widerlegt werden sollte. Wer hervorhebt, dass ‚sogar‘ Personen geholfen wurde, die man einer bestimmten Gruppe zuordnet, offenbart – ob beabsichtigt oder nicht – Abgrenzung und Ablehnung eben dieser Gruppe gegenüber. Jahn selbst räumt treuherzig ein: „Wir hatten natürlich anfangs Probleme hier mit Schmierereien in [sic] den Fensterscheiben so nach dem Motto ‘wie könnt ihr das wagen, Frauen auszugrenzen‘ – aber letztendlich ist das halt unser Konzept.“ (Mann TV) Das ist nicht nur Jahns Konzept, sondern eben auch ein Teil der Begriffsdefinition von Diskriminierung: Die kategorische Ausgrenzung von Menschen anhand der Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe, die innerhalb gesellschaftlicher Machtstrukturen systematisch benachteiligt wird. Und so schrumpft Jahns Ladenkonzept von vielen Positivbezügen auf Zusammenhalt, klassenlose Gemeinschaft und „Männergespräche“ auf ein einziges Merkmal zusammen: Sexismus.

There is no such thing as bad publicity

Hinzu kommt, dass Jahn – zur Opferfigur des bedauernswerten, anonym und verbissen per Spraydose drangsalierten Kleinunternehmers stilisiert – mittlerweile einige sehr wohlwollende Berichte in der Lokalpresse verbuchen kann. Der zum Aushängeschild des Ladens gemachte und genüsslich zelebrierte Ausschluss von Frauen, die sehr bewusste Provokation durch das plump-sexistische Türschild, die Kritik, die an all dem in Social Media und in Stellungnahmen formuliert wurde sowie die halbherzig-durchschaubaren Relativierungsversuche durch Jahn und sein Gefolge fügen sich quasi von selbst zur journalistischen ‚Story‘, die dann auch beinahe unterschiedslos wiederholt wird. So macht sich beispielsweise kein Bericht die Mühe, die Kritik am Laden auch inhaltlich darzustellen. Stattdessen wird das Vorhandensein von Kritik lediglich erwähnt und als Einspruch von „einigen Frauen, die sich diskriminiert fühlen“ entpolitisiert und als bloße Zutat zum Spannungsbogen absorbiert. Die Positionen Jahns und seiner Kunden hingegen werden undistanziert übernommen: „Trotzdem will ‚mann‘ auch mal unter sich sein.“ (Lokalzeit Aachen) Journalistische Distanz bezieht sich hier einseitig auf kritische Positionen. Diese geichförmige Berichterstattung erzeugt kostenlose Werbung für den Barbershop, in der das von Jahn angestrebte Bild des unbedenklichen Männer-Reservats durch die reduzierende Darstellung kritischer Positionen ungebrochen und anschlussfähig ausgemalt wird.

Frauenrechte und ‚abendländische‘ Werte

Ein Kommentator führt erkennbar stolz auf sein Wortspiel aus: „Selbst wenn Jahn ein veraltetes Frauenbild haben sollte […], beschneidet er keine Frauenrechte. Er will ihnen einfach nur nicht die Haare schneiden. Wem das nicht gefällt, der braucht nicht hinzugehen.“ (Aachener Nachrichten) Wem tut er schon was, der Arme? Einfach nicht hingehen! Man stelle sich diese im Gestus der Harmlosigkeit vorgebrachten Aussagen in Bezug auf den Mitarbeiter eines Zwickauer Friseursalons vor, der im Juli 2017 mit einem rassistischen Shitstorm überzogen wurde, nachdem per Aushang bekanntgegeben wurde, zu bestimmten Uhrzeiten seien personalbedingt nur Herrenhaarschnitte ausführbar. Der Stein des Anstoßes war das Wörtchen „syrisch“ („In diesem Zeitraum haben wir einen syrischen Herrenfrisör im Salon, der ausschließlich nur Herren bedient.“ zitiert nach WELT). Binnen kürzester Zeit wurde die Frieursalonkette daraufhin derart heftig mit rassistischen Beschimpfungen bombardiert, in denen dem Mitarbeiter islamistisch motivierte Diskriminierung von Frauen unterstellt und auf die Unvereinbarkeit eines ‚Herrenfriseurs‘ mit westlichen Werten und Frauenrechten gepocht wurde, dass sich die Geschäftsleitung zu einer ‚Richtigstellung‘ genötigt sah und der Mitarbeiter zu seinem eigenen Schutz an einen geheimgehaltenen Arbeitsplatz versetzt werden musste. Doch im Fall des Frankenber Barber Clubs mit seinem nicht personalbedingten, sondern ganz vorsätzlichen, programmatischen Ausschluss von Frauen bleibt der massenhafte Aufschrei seit nunmehr 5 Jahren aus: Abgesehen von ein paar Sprühereien auf der Fensterscheibe finden sich bis heute keine Horden entrüsteter Bürger*innen, die den Inhaber anrufen und als Sexist beschimpfen, ihm via Social Media die Meinung geigen, die Werte des europäischen Abendlandes sowie die darin angeblich verankerten Frauenrechte beschwören oder vielleicht auch mal mit der einen oder anderen Mistgabel vor dem Laden herumfuchteln. Stattdessen kommentiert ‚Lokalzeit Aachen‘ lässig-beschwichtigend: „Och, sowas muss man doch mit Humor nehmen, lassen wir sie doch einfach machen.“ Wäre ein so wohlwollender Appell in der Lokalpresse auch dann noch vorstellbar, wenn im Namen des Frankenberger Barber Clubs ‚syrisch‘ vorkäme? Wohl eher nicht. Denn ohne rassistische Projektionsfläche scheint der Ausschluss von Frauen keinerlei Volkszorn zu erregen. ‚Unsere‘ Frauen diskriminieren wir hier schließlich immer noch lieber selbst.

Bartriarchat


Wenn auch
Jahn und seine Gefolgschaft es nicht Diskriminierung, sondern lieber „Man cave“ oder „Rückzugsort“ für Männer nennen – obwohl die Rede von dessen Notwendigkeit in unserer patriarchelen Gesellschaft ungefähr so absurd ist, wie in einem Luxus-Hotel einen Rückzugsraum für Reiche zu fordern. Ebenso absurd, wie die Verantwortung für aufdringliches Dominanzgehabe auch noch denjenigen in die Schuhe zu schieben, die es erleiden müssen, wie es sich in Jahns Expertise zur Charakterveränderung von Männern ausdrückt, die durch die Anwesenheit einer Frau auf einmal „wie Jäger“ werden würden, was „irgendwie ganz komisch“ sei. Komisch hieran ist lediglich, dass Jahn hier zwar mit der Vokabel „Jäger“ ein klischeehaft dominantes Männlichkeitsbild beschwört, gleichzeitig aber der Einfluss dieser „Jäger“ auf ihr eigenes Verhalten seltsam klein zu sein scheint. Statt Frauen als Kundinnen grundsätzlich auszuschließen, könnte er ja schließlich auch einfach an sich selbst und seine Kunden appellieren, sich nicht wie brünftige Auerochsen zu benehmen – das würde aber voraussetzen, dass er und seine Jünger sich selbst nicht so offensichtlich gut gefallen würden in genau dieser Rolle, denn sie entbindet ja so hübsch von der Verantwortung fürs eigene Verhalten. Und genau das ist die eigentliche Ware, die der Barbershop verkauft: Einen Freifahrtschein, sich ohne schlechtes Gewissen in einem Männlichkeitsbild zu suhlen, das wie der Einrichtungsstil des Ladens direkt aus den fünfziger Jahren zu stammen scheint, in dem Männer noch Jäger und Frauen die Beute sind, und gorrillahaftes Verhalten zum unabwendbaren Instinkt eines ‚echten Mannes‘ verklärt wird. Die (je nach Perspektive) gute Nachricht: Die fünfziger Jahre sind vorbei, und daran ändert sich auch durch heftiges Brustgetrommel oder Bartgezwirbel nichts. Eine weitere Regel in Jahns Laden lautet: „Heulen verboten!“ Mal schauen, wie lange sich das noch durchhalten lässt.

Quellen