Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen*

Am 25.11.2019 gab es weltweit Proteste, auch in Aachen fand eine Demonstration mit circa 200 Leuten statt, organisiert vom Aachener Bündnis für ein Ende der Gewalt
Wir waren mit dabei und haben einen Redebeitrag gehalten, zum Nachlesen was wir zu dem Thema zu sagen haben, ist der Text jetzt auch online….

Offiziell ist heute der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen*. Klingt erstmal wie eine Sache, wofür Mensch gerne auf die Straße geht. Doch wie kann Gewalt „beseitigt“ werden?
Gewalt ist keine Sache, die einfach so passiert, eine Idee, gegen die Mensch sein kann und die dann einfach verschwindet: Gewalt wird aktiv ausgeübt.


Gewalt gegen Frauen, nicht-binäre Menschen und Trans*personen ist nicht hauptsächlich ein Problem dieser Personengruppen. Das Problem sind patriarchale Herrschaftsstrukturen und die Menschen, die die Gewalt ausüben: Hauptsächlich cis-Männer. Bei kaum einemanderen Thema liegt die Aufmerksamkeit so sehr auf den Betroffenen und so wenig auf den Tätern.
Gewalttätige cis-Männer sind eben keine Einzelfälle, sondern die Folge von männlicher Sozialisierung. Ihnen wird beigebracht, sie hätten ein Recht auf Macht und Sex und dürften sich diese, wenn nötig, mit Gewalt nehmen.
Wir alle müssen uns also damit auseinandersetzen wie toxische Vorstellungen von Männlichkeit
gewalttätiges und übergriffiges Verhalten begünstigen.
Das System, in dem wir leben, ist männergemacht. Es unterdrückt Menschen, die nicht in das Bild des weißen cis-Mannes passen, motiviert Gewalttaten, rechtfertigt sie und redet sie klein.
Die vorherrschende Annahme der männlichen Überlegenheit legitimiert fälschlicherweise die
strukturelle Unterdrückung von Frauen, Trans*- und Intermenschen. Dies hat sich in unserer
Gesellschaft so stark verwurzelt, dass ein Großteil der Menschen das Problem der männlichen Gewalt nicht als ein strukturelles erkennt.
Sexistische Gewalt ist kein abstraktes Konstrukt, kein individuelles Problem, kein privater Konflikt.
Sie ist allgegenwärtig, sie ist strukturell und sie betrifft uns alle.
Das äußert sich zum Beispiel in Form von starren Geschlechternormen, die alle, die nicht in das binäre System von Mann und Frau passen, brutal ausschließt. Das setzt diese Menschen wiederum sehr direkt Gewalt aus. Trans*-, nicht-binäre und Interpersonen befinden sich häufig außerhalb des Radars, obwohl sie stark von Gewalttaten betroffen sind. Simple Aktivitäten, wie auf die Straße gehen in Kleidung, die sich gut anfühlt, können gefährlich werden und zu physischer und psychischer Gewalt führen.
Es wurden heute schon viele Fakten zu Gewalt an Frauen genannt. Dabei geht es aber nicht nur um
weiße, heterosexuelle, mittelständische cis-Frauen. Wir finden es wichtig, das Problem intersektional
und die vielfältigen Unterdrückungsmechanismen in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Zu Sexismus
gehören auch Homophobie und Transfeindlichkeit. Andere Formen der Diskriminierung, sind zum
Beispiel Rassismus, Antisemitismus, Klassismus und viele weitere. Patriarchale Gewalt trifft
diejenigen besonders hart, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Das sind zum Beispiel
People of Colour, die sexistisch benachteiligt sind, und Menschen, die Trans*misogynie erfahren.
Seit 2008 wurden bis heute offiziell mindestens 3.314 Trans*- und genderdiverse Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität ermordet. Es ist schwierig, solche Zahlen zu finden, da transphobe Gewalt und Diskriminierung in den meisten Ländern nicht einmal offiziell registriert werden, die Dunkelziffernsind wahrscheinlich wesentlich höher.
Aktivist*innen des Transmurder Monitoring Projekts von der Organisation Transgender Europe
registrierten weltweit mind. 331 Morde an Trans-Personen zwischen Oktober 2018 und September
2019. Jedes Jahr steigt die Zahl der Opfer an. In Europa waren ein Großteil der Opfer People of Colour und /oder Sexarbeiter*innen.
In Oppenheim wurde letzte Woche öffentlich in Form eines Flyers zur Misshandlung einer Transfrau aufgerufen. Sie hat Fotos dieses Aufrufes bei Facebook veröffentlicht. Der Flyer enthielt neben einem Foto der Person konkrete Morddrohungen, transfeindliche und nationalsozialistische Parolen und ist super ekelhaft, sodass wir wahrscheinlich kotzen würden, wenn wir das jetzt wiederholen.
In unserem Feminismus ist kein Platz für Transphobie. Lasst uns uneingeschränkt solidarisch sein!
Der Staat hat uns schon mehrfach bewiesen, dass er die strukturelle Unterdrückung weder bekämpfen will noch kann.
Wir haben keinen Bock mehr, uns in Rollen zwängen zu lassen und so zu leben, wie es uns das
Patriarchat vorschreibt.
Wir müssen also selbst aktiv werden mit vielfältigen Aktionsformen, anstatt darauf zu hoffen, dass der vorherrschende Sexismus durch staatliche Reformen verschwindet. Denn die staatlichen
Repressionsbehörden versuchen aktiv jede Form von Widerstand gegen die sexistischen Zustände zu zerstören. Feministischer Widerstand wendet sich, wenn er konsequent zu Ende gedacht wird, gegen Rassismus, Homo- und Trans*-feindlichkeit und alle Formen struktureller Diskriminierung, aber auch gegen Kapitalismus und das staatliche Gewaltmonopol. Dies alles zu beseitigen, liegt aber gar nicht im Interesse des Staates, der die bestehenden Machtverhältnisse im Kern beibehalten will.
Bewegungen, die diese Zustände bekämpfen wollen, bekommen die geballte Gewalt der staatlichen
Repression zu spüren.
Es bedarf dringend feministischer Freiräume, in denen sich von patriarchaler Gewalt betroffene
Menschen vernetzen und ausleben können. Doch gerade solche Freiräume haben es dieser Tage
schwer: Die Elster-Besetzung diesen Sommer in Köln wurde nach knapp 2 Wochen brutal geräumt, ein zweiter Versuch, mit einer Besetzung einen queerfeministischen Freiraum in Köln zu schaffen wurde noch am selben Tag geräumt. Die Liebig 34 in Berlin, ein anarcha-feministisches Hausprojekt ohne cis-Männer, das schon seit 1990 besteht, ist ebenfalls akut räumungsbedroht. Die gerichtlichen Verhandlungen über die Räumungsklage wurden zwar wegen Protestaktionen auf den 13.12. verschoben, doch die Bedrohung bleibt bestehen. Versuche, sichere Räume ohne patriarchale Gewalt zu schaffen, werden durch die Behörden mit aller Kraft bekämpft.
Dagegen müssen wir uns wehren!
Gewalt können wir nicht beseitigen, aber wir können diejenigen bekämpfen, die sie ausüben und das
gemeinsam und mit allen Mitteln! Auch Menschen, die nicht persönlich von Gewalt betroffen sind,
können sich solidarisch zeigen – und das nicht nur mit weißen cis-Frauen.
Wir müssen zusammenhalten, nicht nur heute und hier, sondern im Alltag und in unserer politischen
Praxis!! Solidarität mit der Liebig und allen emanzipatorischen Kämpfen weltweit!