Queer, pervers und arbeitsscheu – “hier wurden die schlechtesten Klischees über Linke bestätigt”

Ein Statement zum Statement der Linksjugend ‘solid Aachen vom 8.3.2020

Den Text der Linksjugend findet ihr hier: https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=3053079811370794&id=205169322828538&scmts=scwspsdd&extid=kUxh0hbC6lyLBVnu oder unter diesem Text

Am 8. März sammelten wir uns mit unseren Genoss*innen, ziemlich fertig von den Ereignissen am Wochenende, um anlässlich des Frauen*kampftages gegen das Patriarchat zu demonstrieren.

Sexismus durchdringt unsere Gesellschaft in jeder Hinsicht. Auch linke Strukturen sind nicht frei davon. Dies macht macht sich zum Beispiel bemerkbar, wenn Menschen Feminist*innen erklären möchten, ihre Wut und Herangehensweise an das Thema sei unangebracht und würde Menschen verschrecken. An sich ist es gut und wichtig, aufklärerische Arbeit zu leisten und Menschen geduldig entgegenzukommen. Dafür ist eine Demo unserer Meinung nach aber nicht unbedingt der richtige Ort, sondern dies kann im Rahmen von Vorträgen, Veranstaltungen und persönlichen Gesprächen stattfinden. Doch häufig kommt es vor, dass auch, wenn wir extrem vorsichtig und geduldig versuchen, mit Menschen über Sexismus zu reden, diese weder Interesse noch Einsicht zeigen. Das ist oft eine enorm frustrierende Erfahrung, die uns wütend, traurig und verstört zurücklassen kann. Deswegen ist es genauso legitim, sich zu wehren und Menschen, die sich sexistisch oder übergriffig verhalten, eine zu klatschen oder sie zu beleidigen, und einer patriarchalen Gesellschaft wütend, laut und entschlossen auf der Straße entgegenzutreten! Nicht legitim wiederum ist es, wenn die Linksjugend meint, uns erzählen zu müssen, wie wir unsere Kapazitäten und unsere emotionale Arbeit einzusetzen haben. Denn das können nur wir selbst entscheiden. Die allzu häufigen Forderungen, Feminist*innen sollten sich ruhig, nett und rücksichtsvoll verhalten, ist ein Versuch, klassische Rollenbilder beizubehalten und unsere Kämpfe zum Schweigen zu bringen. Dagegen wehren wir uns!
Feminismus ist ein Kampf und keine nette Bitte! Wir wollen unseren Forderungen laut und wütend Luft machen können und dafür sollten Demonstrationen Raum geben. Natürlich kann es verschiedenste Herangehensweisen an das Thema geben – niemand wird zu Militanz und lautstarkem Auftreten gezwungen. Wir solidarisieren uns mit verschiedenen Formen des Widerstands gegen das Patriarchat, auch wenn diese einen weniger radikalen Weg einschlagen als wir. Das Verurteilen und Abgrenzen von militanten, radikalen, queeren und spaßigen Perspektiven empfinden wir jedoch als spalterisch und unsolidarisch. Nur weil wir verschiedene Aktionsformen und Schwerpunkte haben, heißt das nicht, dass wir nicht Teil der selben Bewegung sind. Ob flauschig oder militant, wichtig ist der Widerstand!
Leider sahen das Teile der Demo anders.
Die Demonstration, die anfangs aus etwa 200 Menschen bestand, war die meiste Zeit eher leise. Wir versuchten also öfter, eigene Parolen anzustimmen, und bei anderen Sprechchören mitzumachen. Leider verliefen solche Versuche immer wieder im Sande. Klar wollen wir allen Leuten freistellen, ob sie Sprüche mitrufen oder lieber leise demonstrieren wollen. Aber wir wollen auch, dass wir nicht dafür verurteilt werden, wenn wir laut und mit Energie dabei sind! Für uns fühlt sich eine Demo kraftvoller und empowernder an, wenn sie ordentlich Krach macht.
Außerdem verließen mit der Zeit und dem stärker werdenden Regen immer mehr Leute die Demo. Ob das nun an persönlichen Terminen, dem schlechtem Wetter, der (relativen) Kraftlosigkeit der Demo oder unseren „zu krassen“ Sprüchen lag, sei dahingestellt. Gerne hätten wir mit Menschen über unsere Parolen diskutiert oder auch andere Vorschläge gehört, wir wurden aber von keiner Seite kritisiert oder angesprochen. Im Gegenteil kam es vor, dass Demonstrierende sich über die Sprüche beömmelten und uns nach unseren Demo-Spruch-Zetteln fragten.
Bei jeder Demo kommt es vor, dass Leute griesgrämig aus dem Fenster schauen, unabhängig von Auftreten und Sprüchen der Demo. In diese Blicke dann genau das hineinzuinterpretieren, was die eigene Meinung zur Demo widerspiegelt, ist reine Spekulation.
Wir verwässern unsere Forderungen nicht, um Menschen, die uns wahrscheinlich sowieso nicht unterstützen werden, nicht zu verschrecken! Wenn jemand von der lautstarken Forderung nach Gleichberechtigung ernsthaft so eingeschüchtert ist, dann sind vielleicht nicht wir das Problem. Sondern dass Menschen sich in ihrem konservativem Weltbild verschanzen und sich auf ihren Privilegien ausruhen.
Wir wehren uns dagegen, verschiedene Formen der Unterdrückung wie Sexismus, Rassismus und Klassismus gegeneinander auszuspielen und Kämpfe für mehr Gerechtigkeit zu vereinzeln. Wir glauben aber auch nicht, dass sich der Sexismus von selbst auflösen wird, wenn „Frauen und Männer“ (habt ihr da nicht wen vergessen, liebe Linksjugend?) nur zusammen für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Diskriminierung muss konsequent angesprochen und bekämpft werden, anstatt sie hinter vermeintlich wichtigeren Kämpfen hintenan zu stellen!
Angesichts von Polizeigewalt, Repression, aggressiven Nazis, einer kapitalistischen Gesellschaft und Sexismus von allen Seiten haben wir jeden Grund, wütend zu sein. Wir scheißen auf die Regeln, die ihr uns vorschreiben wollt!

In diesem Sinne,
queer pervers und arbeitsscheu siempre,
Knit and agitate

Hier noch das Statement der Linksjugend:

Gegen Sexismus – für Emanzipation und Sozialismus!
Bericht zur Aachener Demo zum FrauenkampftagHeute demonstrierten zum Frauenkampftag über 200 Menschen in Aachen. Auf Transparenten und Schildern wurden verschiedene Aspekte sexistischer Diskriminierung kritisiert, so beispielsweise Gewalt gegen Frauen, Rollenbilder und die miese Situation von den meist weiblichen Beschäftigten in der Pflegebranche. In einem Redebeitrag wurde auf internationale Kämpfe gegen Sexismus und Patriarchat aufmerksam gemacht, die oft auch mit dem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung verknüpft werden. Ein anderer Beitrag befasste sich mit Sexismus an Hochschulen, ein dritter mit der Situation in Pflegeberufen. Wir waren mit einigen Genoss*innen dabei und verteilten unsere Flyer mit sozialistischen Vorschlägen, die ihr hier nachlesen könnt: http://linksjugend-solid-nrw.de/3455/sxsmSexismus dient der Spaltung der Arbeiter*innenklasse. Wenn wir uns gegenseitig bekämpfen, werden wir chancenlos sein im Kampf um die Überwindung des Kapitalismus. Gleichzeitig wird innerhalb der Arbeiter*innenklasse viel Sexismus reproduziert, wie er von allen großen Institutionen – Parteien, Medien, Kulturschaffenden und vielen mehr – vorgelebt wird. Das bekämpfen wir entschieden. Das sieht aber nicht so aus, dass wir diejenigen, die sexistisches Verhalten zeigen, beschimpfen oder ausgrenzen, sondern indem wir ihnen erklären, dass sie sich damit ins eigene Bein schießen. Wir setzen darauf, dass Sexismus einerseits durch das geduldige Erklären der Problematik durch Gruppen wie uns und andererseits vor allem durch den gemeinsamen Kampf von Frauen und Männern für gemeinsame Interessen, beispielsweise höhere Löhne, zurückgedrängt werden kann. Denn in der praktischen Kampferfahrung lernen alle Betroffenen, dass sie gemeinsame Interessen haben und nur im respektvollen gemeinsamen Kampf gewinnen können.Leider sahen das Teile der Demo anders. Im Laufe der Demo verließen immer wieder Teilnehmer*innen den Zug, bis irgendwann vor allem mehr oder weniger organisierte Gruppen die Demo dominierten, ein großer Teil von ihnen aus dem autonomen oder anarchistischen Spektrum. Immer öfter wurden dann auch Slogans wie „Macker gibts in jeder Stadt, bildet Banden, macht sie platt!“ oder sogar „Wir bleiben unserem Motto treu – queer, pervers und arbeitsscheu!“ gerufen. An der Reaktion von Leuten in ihren Fenstern war klar zu sehen: Hier wurden die schlechtesten Klischees über Linke bestätigt. Wir denken nicht, dass ein solches Auftreten dem Kampf gegen Sexismus hilft. Also solche Slogans irgendwann sogar dominierend wurden haben wir uns entschieden, die Demo zu verlassen. Wir haben ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Kampf gegen Sexismus und möchten nicht mit solchen Gruppen in einen Topf geworfen werden.In den nächsten Tagen gibt es einige Möglichkeiten, mit uns gegen Sexismus und für Emanzipation und Sozialismus einzusetzen. Wir laden euch herzlich zur Teilnahme ein!Kommenden Dienstag werden wir zuerst mit einem „antisexistischen Walk“ auf sexistische Werbung, „Pink Tax“ und die Arbeitssituation von Beschäftigten in frauendominierten Berufen aufmerksam machen. Treffpunkt ist um 17 Uhr am Elisenbrunnen bei der Genossin mit der roten Fahne (Antisexistischer Walk durch die Aachener Innenstadt).
Um 19 Uhr folgt eine inhaltliche Veranstaltung im Linken Zentrum (Augustastrasse 69) unter dem Motto: Gegen Sexismus – für Emanzipation und Sozialismus! Wir werden die Geschichte der Frauenbewegung darstellen und erklären, warum Emanzipation und Sozialismus nur zusammen erkämpft werden können. Es wird dort auch reichlich Zeit zur Diskussion geben (Gegen Sexismus! Vortrag & Diskussion).
In der folgenden Woche werden wir am Equal Pay Day, dem 17. März, erst mit einer kleinen Kundgebung um 17:30 Uhr am Kugelbrunnen auf das Gender Pay Gap, also die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern, aufklären (Aktion gegen Lohnungleichheit). Im Anschluss werden wir ab 19 Uhr im Linken Zentrum entspannt Stencils, also Sprühschablonen, basteln und danach mit Sprühkreide durch die Stadt ziehen und Slogans zum Kampf gegen Sexismus hinterlassen (Stencilbasteln und Sprühkreiden).